    
Themenwahl
"Nichts verbietet, die Arbeit
früher zu wählen. (...) Aber alles spricht dagegen, sie zu spät
zu wählen" (1). Die Suche nach
einem geeigneten Thema für eine Abschlussarbeit sollte nicht erst
kurz vor deren Anmeldung beginnen. Fangen Sie rechtzeitig an, sich
Gedanken über mögliche Themen zu machen. Das erspart Ihnen zum
einen die hektische und oft auch im Ergebnis nicht
zufriedenstellende Themensuche zu einer Zeit, in der Sie auch
durch andere Anliegen - noch anstehende Prüfungen, Finanzierung
des Studiums, beginnende Suche nach einem Arbeitsplatz - belastet
werden. Es verschafft Ihnen auf der anderen Seite den
unschätzbaren Vorteil, zu einem frühen Zeitpunkt mit ersten
Vorabreiten beginnen zu können: Quellenrecherche, Gliederungs-
und Textentwürfe bis hin zur Suche nach einem
geeigneten Betreuer. Auf diese Art und Weise können Sie die für ihr
Thema relevanten Kenntnisse kontinuierlich ausbauen. Und selbst
wenn sich die Idee im Zuge der Vorarbeiten als falsch
herausstellen sollte, haben Sie alle Zeit, nach einer Alternative
- im Sinne einer Modifikation des Themas oder auch eines komplett
neuen Themas - zu suchen. Lassen Sie sich diese Vorteile nicht nehmen.
Übrigens sollte sich die Suche
nicht auf ein einziges Thema beschränken. "Machen Sie es
sich zur Gewohnheit, gute Themen zu sammeln. Beginnen Sie nicht
erst damit, wenn Sie eine Arbeit schreiben müssen. Blicken Sie
auf die Welt als Themensucherin oder Themensucher und schauen Sie,
dass Sie immer ein gutes Thema im Ärmel haben, an dem Sie zu
arbeiten beginnen möchten" (2).
Sollte sich ein Thema bei näherem Hinsehen als ungeeignet
erweisen, müssen Sie gar nicht erst in tiefe Frustration
eintauchen, sondern können sofort auf andere Möglichkeiten
zugreifen. Bleiben Sie also nicht gleich bei der ersten Idee
stehen (3).
Bei der Themensuche spielen
verschiedene subjektive und objektive Kriterien, die Sie sehr
genau prüfen sollten, eine Rolle. Es mag auf den ersten Blick
vollkommen banal klingen, wenn Eco (4)
sagt, dass "... wer eine Abschlußarbeit schreiben will, eine
schreiben soll, die er schreiben kann". Legen
Sie sich daher am besten eine Checkliste an, in der Sie die
folgenden Punkte systematisch prüfen:
1. |
Übereinstimmung
mit der Prüfungsordnung |
|
Das Thema der
Diplomarbeit muss grundsätzlich mit der für Sie
zuständigen Prüfungsordnung übereinstimmen. Die
Prüfungsordnung des Fachbereichs Soziale Arbeit und
Gesundheit an der Fachhochschule Kiel sagt in § 22 (1):
"In der Diplomarbeit soll die Kandidatin oder der
Kandidat zeigen, dass sie oder er in der Lage ist, innerhalb
einer vorgegebenen Frist ein Problem ihrer Fachrichtung
selbständig nach wissenschaftlichen Methoden zu bearbeiten."
Die Themenwahl ist also eingeschränkt auf das Umfeld der
Sozialen Arbeit. Inhalte außerhalb der Sozialen Arbeit
können also nicht zum Gegenstand einer Diplomarbeit gemacht
werden. |
2. |
Annahme durch
einen Hochschullehrer |
|
Das Thema muss vom
Erstgutachter der Arbeit akzeptiert werden. In der Praxis
heißt das: nicht jedes Thema wird so angenommen, wie es
Studierende vorlegen. Zumeist bringen auch die Gutachter
ihre Vorstellungen und Wünsche mit ein. |
3. |
Das Interesse
der Studierenden |
|
Insbesondere aus
motivationaler Sicht sollte ein Thema Ihr eigenes Interesse wecken.
Es arbeitet sich bedeutend leichter, wenn man sich zum Thema
hingezogen fühlt. Dabei sollte jedoch nicht übersehen
werden, dass Interesse oft auch erst in der
Auseinandersetzung mit einer Fragestellung entsteht. Es muss
also nicht gleich Liebe auf den ersten Blick sein. Kann man jedoch
trotz aller Bemühungen keine Nähe herstellen, sollte man das
Projekt aufgeben. |
4. |
Rückgriff auf
Vorhandenes |
|
Die
Wahl eines Themas sollte kein Sprung in unbekanntes
Gewässer sein. Eine Diplomarbeit ist nicht unbedingt der
richtige Ort, völlig neue intellektuelle Sphären zu
erkunden (5). Die
Grundregel lautet vielmehr: möglichst viel von dem
verwenden, was man ohnehin schon hat oder kann. Der
Rückgriff auf eine erfolgreiche Seminararbeit etwa wirkt
nicht nur beschleunigend, die positive Beurteilung der
ersten Arbeit erhöht gleichzeitig auch die
Erfolgsaussichten der Nachfolgearbeit. Bei jeder Art des
Zurückgreifens auf bereits Vorhandenes muss allerdings
dringend beachtet werden, dass das Folgeprojekt "... zu
eigenständigen und neuen Ergebnissen führen muß" (6).
Eine Diplomarbeit darf sich also keinesfalls in der bloßen
"Streckung" einer Seminararbeit erschöpfen.
Ich
möchte an dieser Stelle einen Appell an Sie richten und,
damit verbunden, eine Warnung aussprechen. Auch die Formel
"Rückgriff auf Vorhandenes" ist streckungsfähig
im Sinne des Zugriffs auf Vorhandenes, das nicht aus der
eigenen Feder stammt. Der Online-Markt bietet zu fast jedem
Thema fertige Abschlussarbeiten an. Eine nicht selbst
verfasste Arbeit vorzulegen stellt nicht nur aus moralischer
Sicht sondern auch formal juristisch ein schwerwiegendes
Vergehen dar, das mit der Exmatrikulation geahndet werden
kann. Sein Sie fair! Sie alle wollen eine wissenschaftliche
Qualifikation in ihre zukünftigen Berufe einbringen; mit
einer gekauften Arbeit werden Sie die nicht erreichen.
Außerdem: es klingt doch viel schöner, wenn Sie irgendwann
einmal ihren Enkelkindern einen vollkommen verstaubten Text
mit den Worten "das habe ich selbst geschrieben"
als mit der Erklärung "die habe ich selbst
gekauft" zeigen können. |
5. |
Zu weite und zu
enge Themen |
|
Von
Studierenden selbst entwickelte Themen haben oft die
Tendenz, zu weit gefasst zu sein. Nicht selten sehe ich mich
mit Vorschlägen für Diplomarbeiten konfrontiert, die den
Eindruck erwecken, die ganze Welt der Pädagogik - und oft
nicht nur die - solle überarbeitet werden. Nach Kruse (7)
"... liegt eine der wichtigsten Fähigkeiten, die zum
Erfolg in der Wissenschaft führen, gerade darin,
handhabbare, hinreichend eng definierte Themen zu
finden". "In der Beschränkung zeigt sich der
Meister" (8).
Es
liegt in der Natur der Sache, dass weit gesteckte Themen
niemals alle Facetten und Belange einer Fragestellung
vollständig und mit dem erforderlichen wissenschaftlichen
Tiefgang aufgreifen können. Wie ein Damoklesschwert schwebt
über solchen Arbeiten der Vorwurf, falsche Auslassungen
vorgenommen zu haben, oberflächlich, nachlässig und
unwissend vorgegangen zu sein.
Grundsätzlich
gilt, dass man sich in einem begrenzten Gebiet sicherer
bewegen kann als in uferlosem Terrain. Und trotzdem sollte
ein Thema auch nicht zu eng formuliert sein. Damit verbunden
ist zu meinen die Gefahr, nicht genügend Material finden zu
können, darüber hinaus lässt eine sehr enge Fragestellung
zumeist nur wenig Raum für Weiterentwicklungen, wie sie sich im
Laufe einer wissenschaftlichen Arbeit immer ergeben können. |
6. |
Themenformulierung |
|
Ein Thema darf,
wie oben gesagt wurde, weder zu weit noch zu eng sein. Es
sollte sich in einem festen Rahmen bewegen und muss dennoch
genügend Luft zum Atmen haben. Versuchen Sie diesem Umstand
auch in der Formulierung des Themas im Titel ihrer Arbeit
Rechnung zu tragen. Ein möglicher Weg besteht in der
Kombination eines Haupttitels, der inhaltliche Entwicklungen
zulässt, mit einem Untertitel, der das Anliegen der Arbeit
präzise auf den Punkt bringt. Der Vorteil liegt u.a. auch
darin, dass bei der Anmeldung der Arbeit nur der Haupttitel
genannt werden muss. |
7. |
Gestaltungsideen |
|
Es spricht für
ein Thema, wenn bei seiner Entdeckung schon die ersten
konkreten Gestaltungsideen entstehen, wenn sich, wie Standop;
Meyer (9) sagen, ein gewisser Plan schon fast von selbst
ergibt. Oft ist dies der Fall, wenn es praktische und
theoretische Vorerfahrungen rund um ein Thema gibt. |
8. |
Berufsnähe |
|
Die Wahl des
Themas könnte - wenn auch eher am Rande - durch einen
konkreten Berufswunsch beeinflusst werden. Es ist jedenfalls
nicht von Nachteil, wenn durch die Diplomarbeit
einschlägige Kompetenzen für ein angestrebtes Berufsfeld
nachgewiesen werden. |
9. |
Methodenkompetenz |
|
In der letzten
seiner vier Faustregeln für die Wahl eines Themas fordert
Umberto Eco (10): "Die
methodischen Ansprüche des Forschungsvorhabens müssen dem
Erfahrungsbereich des Kandidaten entsprechen." Eine
empirische Arbeit ohne einschlägige empirische
Vorkenntnisse schreiben zu wollen, stellt ein nicht
unerhebliches Risiko dar. Aber auch eine Literaturarbeit
erschöpft sich nicht im bloßen Nacherzählen von Büchern.
Solche hermeneutischen Arbeiten bauen auf systematischer
Textanalyse und Textinterpretation. |
10. |
Literaturlage |
|
Aus
der "Literaturperspektive" darf und muss die Wahl
eines Themas von einer angemessenen Portion Pragmatismus
begleitet werden. Die Frage ist an dieser Stelle wohl
erlaubt: Was nützt das interessanteste Thema, wenn
Literatur nicht auffindbar oder nicht verfügbar ist? Bevor
Sie sich auf ein Thema festlegen, klären Sie zunächst die
Fragen,
-
ob
es genügend wissenschaftlich relevante Quellen zu Ihrer
Fragestellung gibt.
-
welche
der ausgewählten Quellen an Ihrem Hochschulstandort
vorhanden und verfügbar sind. Denken Sie daran:
Fernleihe braucht Zeit.
-
ob
zu Ihrem Thema gute "Ausgangsliteratur"
existiert, die einen guten Überblick liefert, die
weiterführende Hinweise beinhaltet, die den Einstieg
erleichtert.
|
11. |
Zeitfaktor |
|
Oft
ist es der Faktor Zeit, der Probleme in eine Diplomarbeit
bringt. Prüfen Sie daher rechtzeitig, ob sich Ihr Thema
inhaltlich und methodisch innerhalb der zur Verfügung
stehenden Zeit realisieren lässt. "Die zur Verfügung
stehende Zeit" entpuppt sich in der Praxis nicht selten
als äußerst diffuses Konstrukt - eine Mischung aus der in
der Prüfungsordnung vorgesehenen Bearbeitungszeit und dem,
was man selber zeitlich investieren möchte oder kann.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang zwei Bemerkungen:
- Bei gutem Zeitmanagement
kann auch unter einigermaßen schwierigen zeitlichen
Bedingungen eine passable Arbeit entstehen.
- Jede Diplomarbeit will und
muss wissenschaftlichen Standards genügen, und dafür
bedarf es - neben anderen Einflussgrößen - nun einmal
Zeit. Über ein Minimalistenprojekt, in das auf drei
Monate verteilt kaum mehr als zwei Stunden
Wochenarbeitszeit investiert werden, braucht man, so Eco
(11), gar nicht erst zu
reden. Es gibt keine Billigversionen.
|
12. |
Persönlicher
Bezug |
|
Viele
Studierende versprechen sich einen
erheblichen Vorteil von einem persönlicher Bezug zum Thema - sei es durch
eigene Betroffenheit oder durch Praxiserfahrungen. Gewinnbringend sind in
der Regel nur solche Erfahrungen, die aus einer nüchternen Distanz in die
Arbeit eingebracht werden können. Sobald es um die Aufarbeitung persönlicher
Befindlichkeiten geht, wird es problematisch. Machen Sie sich klar, welches
Ziel sie mit einem persönlichen Bezug tatsächlich verfolgen. |
(1) |
Eco,
Umberto: Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit
schreibt. Doktor-, Diplom- und Magisterarbeit in den
Geistes- und Sozialwissenschaften. 9., unveränderte Aufl.
der deutschen Ausgabe. Heidelberg: C.F. Müller, 2002, S. 30. |
(2) |
Kruse,
Otto: Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne
Schreibblockaden durchs Studium. 9. Aufl. Frankfurt a.M.:
Campus, 2002, S. 194. |
(3) |
Vgl. Parreren, C[arel].F. van; Peeck, J.; Velema, E[lzo].:
Erfolgreich studieren. Praktische Hinweise für das
Hochschulstudium. Freiburg: Herder, 1969, S. 69. |
(4) |
Eco
a.a.O., S. 15. |
(5) |
Vgl. Krämer, Walter: Wie schreibe ich eine Seminar- oder
Examensarbeit? 2. Aufl. Frankfurt a.M.: Campus, 1999, S. 17. |
(6) |
Duden.
Wie verfasst man wissenschaftliche Arbeiten? Ein Leitfaden
vom ersten Studiensemester bis zur Promotion. (von Klaus
Poenicke) 2. neu bearb. Aufl. Mannheim: Dudenverlag, 1988, S.
82. |
(7) |
Kruse
a.a.O., S. 190. |
(8) |
Parreren;
Peeck; Velema a.a.O., S. 70. |
(9) |
Standop,
Ewald; Meyer, Matthias L.G.: Die Form der wissenschaftlichen
Arbeit. Ein unverzichtbarer Leitfaden für Studium und
Beruf. 17., korrigierte und ergänzte Aufl. Wiebelsheim:
Quelle&Meyer, 2004, S. 7. |
(10) |
Eco
ebd. |
(11) |
Vgl. Eco a.a.O., S. 33. |
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